Kommt jetzt die moralische Überwachung der Literatur?

kommt jetzt die moralische Überwachung der Literatur?

Die 'WELT am Sonntag' hat einen umfangreichen Bericht über die Neuerscheinung "Alive!", über die QualiFiction Software und über "Stilblüten des betreuten Lesens" geschrieben. 

 

Hintergrund war ein Ausläufer der "Cancel Culture", den Roman "Alive!" von Marc Hofmann betreffend. 

Marc Reichwein von der "Welt" schreibt dazu: 

» Gerade wurde die geplante Buchpremiere von „Alive“ in Freiburg im Breisgau abgesagt. Der Grund: Das Buch beziehungsweise die vom Autor vorgeschlagene Passage für die Lesung war der Buchhandlung nicht feministisch genug gewesen. War das überhaupt möglich?

[...] Der Ich-Erzähler spielt in einer Band, die mit dem Studium selbst ein musikalisches Erwachsenwerden erlebt. Grunge bricht ins Leben der Jungsclique ein – und mit ihm ein neues Weltbild, weg vom dumpfen Sexismus des Hardrocks, hin zu Frauen, denen man nicht mehr nur in Form von Pin-up-Girls (auf dem Kalender eines Motorenölherstellers) im Band-Studio begegnet. Die Tatsache, dass der noch nicht erwachsene Ich-Erzähler das Pin-up-Girl in einer Schlüsselszene des Romans an der Wand hängen lässt, führte zur Absage der Lesung und zeigt, wie schnell man anecken kann, sobald Milieu, Figuren und Frauenbild aus der Zeit fallen, obwohl sie im Rahmen einer Geschichte oder einer beschriebenen Lebenszeit (Provinz-Pubertät in den frühen 1990ern) als authentisch gelten dürfen. Oder hätte es auch bei „Alive“ einer entsprechenden Triggerwarnung bedurft?"

 

Mit der letzten Frage bezieht sich Reichwein auf den neuen Trend der "Inhaltswarnungen", die Büchern derzeit häufig vorangestellt werden. "Betreutes Lesen" lautet sein Fazit zu dieser Erscheinung. Ferner: 

» „Die Buchbranche will alles richtig machen. Wer den neuen Sprachregelungen nicht entspricht, wird heute zum Teil bewusst missverstanden“, findet Schöning. Sie will die Anliegen aktivistischer Kreise, etwa aus der LGBTQ-Szene, also Menschen, die sich für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und allgemein „queere“ Themen einsetzen, in gar keiner Weise diskreditiert wissen. Nur wenn bestimmte, nach heutigen Maßstäben politisch unkorrekte Genres oder Buchthemen keine Chance mehr hätten, weil man Gebote der politischen Korrektheit als Branchenstandard implementiert, habe sie ein Problem. Wird und muss man durch ein Branchenprodukt wie Schönings Software politische Korrektheit in Büchern künftig denn auch besser messen können?

 

Im Gespräch mit der WELT benannte Gesa Schöning, dass QualiFiction klar Abstand davon nehme, "politische Korrektheit" in Büchern zu messen. Auch wenn dies technisch durchaus möglich wäre, wäre dies nicht zum Wohle der Kunst, Kultur und Meinungsfreiheit. In dem Artikel in der 'WELT am Sonntag' wurde jedoch hauptsächlich auf die technischen Möglichkeiten eingegangen. QualiFiction und der Kirschbuch Verlag stehen für eine Vielfalt und Freiheit der Inhalte und sprechen sich klar dafür aus, Kunst Kunst sein zu lassen.

In ihrer Pressemitteilung heißt es dazu:

» Aber was bedeutet dies für Leser, die mittlerweile nur politisch korrekte Texte gewöhnt sind? Und welche Konsequenzen hat dies für “Alive!”? Die klare Antwort der Verleger des Kirschbuch Verlags lautet: Es bleibt so und nicht anders. Literatur ist Kunst und im Falle von “Alive!” zugleich ein Zeitzeugnis."

 

Kommt jetzt also "die moralische Überwachung der Literatur", wie die Überschrift des WELT-Artikels in der Online-Ausgabe suggeriert? Zumindest nicht mit uns!, lautet die Antwort von QualiFiction.

 

 

Siehe auch:

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Darf Literatur politisch unkorrekt sein?
Pressemitteilung von QualiFiction und Kirschbuch zur Neuerscheinung "Alive!" von Marc Hofmann
Darf Literatur politisch unkorrekt sein?
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